Eugène Walckiers (1793-1866), Trio op. 95 g-mineur pour Piano, Flûte et Violon (ou Alto) Edition Kossack 2025, 38 € (eine Rezension)
„Das 19. Jahrhundert wird allgemein als eine für die Komposition von Flötenwerken »finstere« Zeit angesehen. Beklagt wird dabei immer die Fülle an Kompositionen von geringerem Wert und der Mangel an guten Werken: vor allem die komponierenden Flötisten hätten selbst diese unerfreuliche Situation herbeigeführt.“ So beginnen Ursula und Željko Pešek das mit „…manches darin verdiente Beachtung…“ überschriebene 27. Kapitel ihres wunderbaren Kompendiums „Flötenmusik aus drei Jahrhunderten – Komponisten, Werke, Anregungen“ (Bärenreiter, 1990; vergriffen, antiquarisch aber noch zu haben!). Gemeint sind Flötenvirtuosen wie z.B. Altès, Briccialdi, Böhm, Demersseman, Doppler, Terschak oder Tulou, die in ihren Bravourstück(ch)en – oftmals Fantasien und Variationen über seinerzeit bekannte und beliebte Opern – Tonleitern und arpeggierende Akkorde hoch und runter dudeln, bewundernswert virtuos, aber letztlich hohl und abgedroschen… Zwar gibt es durchaus auch ernstzunehmende Flöten(sonaten)kompositionen aus dieser Zeit, bspw. von Moscheles, Schneider, Reißiger, Rietz oder Reinecke (nebenbei: allesamt keine Flötisten), aber ihre Zahl ist doch recht überschaubar.
Umso erfreulicher, dass Edition Kossack ein wirklich vorzügliches Trio für Flöte, Violine (oder Viola) und Klavier des französischen Komponisten (und Flötenlehrers) Eugène Walckiers zugänglich macht, das wir in der Besetzung mit Viola probiert haben.
Walckiers ist heute weitgehend vergessen, allenfalls werden seine Kompositionen für zwei bis vier Flöten noch (im Unterricht?) gespielt. Aber es gibt anspruchsvolle Kammermusik (bis hin zum Quintett) von ihm, die eine Wiederentdeckung lohnt! 2009 haben Ursula und Željko Pešek sein Klaviertrio op. 97 d-Moll für Flöte, Cello und Klavier bei Kossack veröffentlicht. In ihrem Vorwort schrieben sie damals: „Was Walckiers in dieser Form und in dieser Besetzung zu sagen hat, ist von so bemerkenswerter schöpferischer Kraft, Schönheit und Frische, zeigt so viel Einfallsreichtum, dass man sich darüber nur freuen kann.“ Ja, gefreut haben wir uns – allerdings nicht nur. Denn der „Einfälle“, die Walckiers einen nach dem anderen vorstellt, waren uns fast zu viele, vielleicht, weil er sie – so schien uns – nicht wirklich miteinander verbunden hat, sondern nur einfach aneinanderreiht? So recht mochten wir uns dann nicht mit dem Trio op. 97 anfreunden. Anders war unser erster Eindruck bei dem jetzt neu verlegten Trio op. 95, das uns einheitlicher anmutet, insgesamt besser „durchgearbeitet“. Mal sehen, ob es uns auf Dauer überzeugen wird…
Wer mehr über Walckiers erfahren möchte, sei auf Ursula Pešeks interessanten Artikel im Heft 3/2009 des Magazins für Holzbläser „Tibia“ verwiesen: »Eugène Walckiers – Un homme de bien«.
Notenbild und Druck des g-Moll-Trios op. 95 sind erfreulich klar und übersichtlich, und alles ist prima vista gut zu lesen. Kleine Ungenauigkeiten und Abweichungen vom Originaldruck (von Richault 1856, auf imslp.org einsehbar) oder auch Übernahmen falscher oder ungeschickter Details aus dem Originaldruck wollen wir hier nicht im einzelnen auflisten. Wir haben sie dem Verlag mitgeteilt und Herr Kossack hat Nachbesserung dieses interessanten Trios zugesagt. Und da die Erstauflage nur eine geringe Stückzahl umfasste, sollten sie tatsächlich „zu Buche schlagen“.
Zur Frage, ob das Trio eher für Viola oder für Violine gedacht war, fanden wir immerhin ein Indiz, das für die Viola spricht: nämlich die melodische Linie in Takt 94 (1. Satz), die bis zum f hinabsteigt, das auf der Violine nicht spielbar (in der Kossack-Violinstimme aber trotzdem gedruckt) ist. Im Originaldruck steht an der Stelle c‘ (statt f). Interessant auch, dass es im Titel des Originaldrucks heißt: „Trio pour piano, flûte, violon ou clarinette“ und nur auf dem Titelblatt handschriftlich „or Tenor“ hinzugefügt worden ist. Ob auch Klarinettenspieler dieses Trio als willkommene Kammermusik-Bereicherung sehen würden, wenn sie denn eine entsprechend transponierte Stimme zur Verfügung gestellt bekämen?



