Ein flammendes Plädoyer
Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern
die Weitergabe des Feuers.(Gustav Mahler zugeschrieben)
Begeisterung entfachen
Ich selbst hatte das Glück, schon früh ein Instrument – Violine – zu erlernen und im Alter von zehn Jahren meine ersten Erfahrungen im Orchester zu machen – was mein Leben bis heute prägt. Angesichts der besorgniserregenden Entwicklungen im Bereich der musikalischen Bildung sehe ich die Gefahr, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen kleiner wird, bei denen es gelingt, das Feuer der Leidenschaft für das gemeinschaftliche Musizieren zu entfachen. Wenn das Feuer in jedem Einzelnen jedoch erst einmal unauslöschlich brennt, dann kann es auch an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Unsere Aufgabe muss es daher sein, diese Begeisterung bei jungen Menschen aus dem eigenen Erleben der sozialen Gemeinschaft beim gemeinsamen Musizieren zu wecken. Sie trägt aus eigener Erfahrung als Motivationskraft über verschiedene Lebenssituationen hinweg und ist der beste Garant für ein lebenslanges Musizieren. In Zeiten zunehmender Digitalisierung kann das Erleben persönlicher sozialer Gemeinschaft im Orchester gerade für junge Menschen an Wert gewinnen. Es ist und bleibt daher eine der zentralen Aufgaben des BDLO, seiner Partnerverbände und aller Akteurinnen und Akteure der musikalischen Bildung, auch in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass hierfür geeignete Rahmenbedingungen geschaffen und vorhandene Strukturen optimiert und ausgebaut werden. Neben einer Schärfung des Bewusstseins bei den Eltern und in den Familien für den Wert einer qualifizierten Ausbildung an einem Orchesterinstrument, ist vor allem wichtig, Teilhabe zu ermöglichen.
Ein Leben lang für die Musik brennen
Das instrumentale Laien- und Amateurmusizieren wurde als prägende Säule unseres kulturellen Lebens 2016 zu Recht in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Um die Zukunft dieser auf der Welt einzigartigen Orchesterlandschaft bewahren zu können, reicht es nicht, junge Menschen an ein Instrument heranzuführen, sondern es bedarf ausreichender Angebote für das gemeinschaftliche Musizieren in einem Orchester – in allen Lebenssituationen. Hierfür sind vielfältige Formen denkbar, die auch neue Ansätze einschließen. Die zahlreichen Kinder-, Schul- und Jugendorchester im BDLO zeugen von den Erfolgen der bisherigen Arbeit. Sie liefern verschiedene Beispiele, wie ein gemeinschaftliches Musiziererlebnis erfolgreich gestaltet werden kann. Aber nicht an jeder Schule oder gar Musikschule gibt es Orchester: Hier sind auch neue Wege bei der Wahl von vielleicht ungewöhnlichen Besetzungen und der fantasievollen Zusammenstellung von Ensembles gefragt.
Die Absolventinnen und Absolventen dieser Orchester bilden die wesentliche Quelle für den Nachwuchs der Amateurorchester, in denen Menschen unterschiedlicher Altersgruppen generationenübergreifend und meist ihr Leben lang miteinander musizieren. Sorgen wir dafür, dass junge Menschen den Weg vom Jugendorchester ins Amateurorchester finden. Erst mit der musikalischen Arbeit der Amateurorchester erlangen die Investitionen in die musikalische Bildung ihren »Return on Investment«.
Den Funken überspringen lassen
Zusätzlich zum eigenen Erleben der positiven Wirkungen des Musizierens und des sozialen Miteinanders im Orchester bilden Konzerte und öffentliche Aufführungen eine weitere Säule der Motivation, im Amateurorchester mitzuwirken. In den Proben arbeiten die Orchester auf dieses Ziel hin, um andere Menschen an der Musik teilhaben zu lassen. Familien, Angehörige, Bekannte und der Freundeskreis der Musizierenden sind als Publikum gut erreichbar und leicht zu begeistern. Aber sollte der Anspruch der Amateurorchester nicht darüber hinausgehen, um auch weitere Kreise und eine breitere Öffentlichkeit als Publikum zu gewinnen? Liegt darin nicht eine Chance, die positiven Emotionen, die von der Musik ausgehen, noch stärker als bisher in die Gesellschaft zu tragen? Amateurorchester bieten besonders im ländlichen Raum oftmals die einzige Möglichkeit, Orchestermusik live zu erleben. Amateurorchester können die Harmonie im menschlichen Miteinander fördern und sind daher in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spaltungen besonders gefragt.
In der Erschließung neuer Publikumsschichten liegt eine der Herausforderungen, wenn es darum geht, die Arbeit der Amateurorchester wahrnehmbar zu machen. Das Internet und die sozialen Medien haben in den letzten Jahren ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Nun gilt es, diese verstärkt für die Publikumsgewinnung und -bindung zu nutzen. Unser Ziel sollte es sein, die »Reichweite« der Amateurmusik zu vergrößern. Neben der Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit können auch neue Konzertformate dazu beitragen, weitere Publikumskreise zu erreichen. Die Erarbeitung von Strategien zur Publikumsgewinnung, die auch für Amateurorchester umsetzbar sind, und die Unterstützung der Orchester bei ihrer Verwirklichung sehe ich daher als eine der Aufgaben des BDLO für die Zukunft.

