Wie schreibt man den Komponisten richtig?
Eine alle bewegende Nebensache
Wer beim Lesen der Überschrift ob der Schreibweise mit Doppel-s innerlich zusammengezuckt ist, dem sei energisch widersprochen: Die Familie schrieb und schreibt sich tatsächlich Strauss. Das eine so harmlose Tatsache bis heute auf heftige Kontroversen und unterschiedliche Akzeptanz stößt, kommentiert Prof. Dr. Eduard Strauss so: »Die Strauss Schreibweise ist offenbar eine alle bewegende wichtige Nebensache«. Prof. Dr. Eduard Strauss ist der Urenkel des Komponisten Eduard Strauss, ein Bruder des Jubilars Johann Strauss (Sohn) und setzt sich seit Jahren für die Schreibweise mit Doppel-s ein. Für die Zeitschrift das Liebhaberorchester (Ausgabe 1/18) war ich im Jahr 2017 mit ihm in regem Austausch. Prof. Strauss besitzt Briefe und Geburtsurkunden seiner Familie, mit denen er die Schreibweise schlüssig darlegt. Doch warum war ich mit ihm in Kontakt gekommen?
Bei der Arbeit in der Notenbibliothek des BDLO tauchten beim Katalogisieren immer wieder unterschiedliche Schreibweisen in den Notenkisten auf. Es galt die Faustregel: Die Münchner Komponisten Richard und Franz schreibt man Strauss, die Wiener Strauß. Doch selbst innerhalb eines Notenmaterials variierte die Schreibung: Auf der Titelseite der Fledermaus-Quadrille stand beispielsweise: componiert von Johann Strauss k.k. Hofball-Musikdirector. Schlug man das Heft auf war: Fledermaus-Quadrille von Johann Strauß, op. 363 zu lesen. Was nun?
Da eine einheitliche Linie beim Katalogisieren wichtig ist und es bei den berühmten, und bei den Nutzer:innen sehr beliebten Komponisten Strauss und Strauß um mehr als Querverweise gehen konnte, begann ich zu recherchieren: In Nachschlagewerken wie der MGG (Musik in Geschichte und Gegenwart) werden die Wiener Komponisten mit ß geschrieben. So knüpfte ich Kontakt mit Prof. Eduard Strauss, der über die Entdeckung der unterschiedlichen Schreibweise seiner Vorfahren nicht im Geringsten überrascht war.
Dem großen Komponisten wird vielfach gratuliert – häufig in der Schreibweise mit Doppel-s. Semperoper, Staatstheater Braunschweig, schaut man in deren Programme, hat sich die Schreibweise Strauss vielerorts durchgesetzt. Und was hat sich in Österreich, dem Mutterland der Familie getan? Ich habe wieder bei Prof. Eduard Strauss nachgefragt. Seine prompte Antwort:
»Wie schön von Ihnen zu lesen!! Ja, es hat sich in puncto Schreibweise einiges getan: Vor allem die »Johann.Strauss.Festjahr2025 GmbH« (jost2025) der Stadt Wien hat sich überzeugen lassen und das hilft mir sehr. Aber es gibt halt immer noch eine handvoll ewig gestriger Journalisten und Institutionen (Wiener Philharmoniker, Musikverein) die sich stur an eine fragwürdige Vereinbarung von Journalisten zur Namensschreibung aus der Zwischenkriegszeit halten.« Prof. Dr. Eduard Strauss spielt hier auf eine Vereinbarung von Journalisten in den 50er Jahren an, von der er erfahren hat. Sein Vater hat immer auf die Schreibung des Familiennamens mit Doppel-s Wert gelegt. Er ist sich auch mit den Nachkommen nach Josef Strauss einig, dass sie den Familiennamen Strauss schreiben wollten und wollen. Es ärgert ihn, dass »Theater und ähnliche Institutionen sich darauf ausreden, dass die Archive nicht oder schwer von ß auf ss umzustellen sind. Eine komische Ausrede in Zeiten von KI etc., finde ich!«
Fazit: Dass man die Familie der Walzerkönige mit »ß« und Richard Strauss mit »ss« schreibt – woran sich im Übrigen aus schrifttheoretischen Gründen niemand stößt – mag eine liebgewordene und zur Unterscheidung der Komponisten praktische Tradition sein. Das stellt aber keine ausreichende (wissenschaftlich tragfähige) Begründung für eine Schreibweise dar. Auch dass man das »immer schon so gemacht hat« sei kein tragfähiges Argument, liest man auf der Website des Wiener Instituts für Strauss-Forschung. [1]
Im Strauss Jubiläumsjahr zeigt sich: Es hat sich etwas bewegt in den vergangenen acht Jahren und ja der BDLO hat in Deutschland zur Akzeptanz der veränderten Schreibweise mit Doppel-s beigetragen.
Gratulation an die Wiener Familie Strauss zum 200. Geburtstag des großen Vorfahren!
Prof. Dr. Eduard Strauss ist der Urgroßneffe von Johann Strauss (Sohn). Er war Zivilrichter im Oberlandgericht Wien und Senatspräsident und ist selbst musikalisch aktiv: Als Sänger (Bariton) in der Chorvereinigung »Schola Cantorum« Wien. Der Jurist setzt sich weltweit für die Pflege der Strauss-Forschung ein. Dabei geht es ihm um den sorgfältigen, »entkitschten« Umgang mit der Geschichte und der Musik der Familie.




