Einige Gedanken zum häuslichen Musizieren
Wir machen Musik, und zwar selbst – nämlich Kammermusik! Ob zu zweit, als Quartett oder gar im Nonett: Kammermusici verabreden sich dort, wo es eine tolerante Nachbarschaft gibt, bauen ihre Notenständer auf, legen die Noten auf, stimmen und – los geht’s. Jetzt gilt: „Auf Wiedersehen bei der Fermate“.1
Ja, so kann man’s angehen. Auf dem Weg bis zur Fermate lauern aber Widrigkeiten und Fallstricke. Diese zu kennen und zu vermeiden, ist das Anliegen dieser Zeilen. Sie geben Beobachtungen und Anmerkungen rund ums Kammermusizieren wieder – zusammengestellt in langjähriger lustvoller und meistens wirklich beglückender Musizier-Praxis – sozusagen: Tipps und Tricks für gut gelingendes Selber-Musizieren.
Oder, wie ein Freund schrieb: „Dies ist eine Zusammenstellung vieler Situationen, die uns allen natürlich bekannt sind, und die immer wieder eine Portion Stoizismus erfordern, um sie zu überstehen – wenn eben nicht dran gedacht wurde, was jenseits des Musizierens alles anfällt“. Eine Freundin bezeichnete sie allerdings kritisch als „Regelwerk“ und „Verhaltenskodex“, nun ja… Aber vielleicht gelingt es ja doch, auch das wiederholte Augenzwinkern wahrzunehmen?
Wie auch immer: Möge diese „Abhandlung“ sich allen leidenschaftlichen Kammermusici, denen die schönste aller geselligen Freizeitgestaltungen ebenfalls Herzensanliegen ist (oder werden könnte?!), als hilfreich und nützlich erweisen.
1. Vor dem Spiel: Sitz(an)ordnung und Stühle
2. Bedenkenswerte Vorbereitungen: Kleinkram, Pulte, Licht & Noten
3. Weiterer „Kleinkram“
3.1. Los geht’s
3.2. Endlich geht’s wirklich los
3.3. Unterwegs
4. Schlusskapitel
4.1. Gut zu wissen
4.2. Durchkommen
4.3. Zum Schluss
Literaturhinweise
1. Vor dem Spiel: Sitz(an)ordnung und Stühle
Natürlich braucht’s gewisse Vorbereitungen. Als erstes stellt sich die Frage: Wie sitzen wir, wie stellen wir die Stühle? Da wäre zu unterscheiden, ob es sich um ein Konzert vor Publikum oder um eine intime Kammermusik („entre nous“2) handelt. Zur Kammermusik werden wir uns i. Allg. im Kreis setzen. Ich richte mich dabei gern ungefähr nach der Anordnung der Instrumente in der Partitur, also (im Uhrzeigersinn): Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott. Oder: 1. Geige, 2. Geige, 1. Bratsche, 2. Bratsche, 1. Cello, 2. Cello, Kontrabass. Anders bei gemischten Ensembles, bspw. Nonett: Geige, Bratsche, Cello, Kontrabass, Fagott, Horn, Klarinette, Oboe, Flöte – nämlich so, dass dort, wo der Kreis sich schließt, Geige und Flöte friedlich nebeneinander sitzen können. Denn die Geige wird nach links gehalten, die Flöte nach rechts, und so – rechte Geigen-Schulter neben linker Flöten-Schulter – besteht keine Gefahr, dass beide Instrumente sich ins Gehege kommen.
1) Unter diesem Titel »Auf Wiedersehen bei der Fermate« veröffentlichte der Rechtsanwalt und Amateur-Bratscher Franz Anton Ledermann am 9. Mai 1924 im Berliner Tageblatt einen Text „Zur Naturgeschichte des Dilettantenquartetts“. Ernst Heimeran hat ihn in seinem Buch »Das stillvergnügte Streichquartett« (Leseempfehlung!) 1936 erneut abgedruckt. Er merkt an: Weil sein »Stillvergnügtes Streichquartett« diesem Text seinen „Ton“ verdanke, hätte es auch »Variationen über ein Thema von Ledermann« heißen können.
2) franz. „unter uns“
Für ein Konzert vor Publikum wird man, um im Bogen / Halbkreis sitzen zu können, den Kreis öffnen – beim Nonett bspw. zwischen Geige und Flöte. Beim Quartett ebenso, oder lieber zwischen Flöte und Cello? Sicherlich ist es günstig, wenn die hohen Streicher so sitzen, dass ihre Instrumente nicht zur Bühnenrückwand, sondern zum Publikum geneigt sind. Manche Celli lieben es, frontal (und nicht seitlich) zum Publikum zu sitzen und dann die anderen Instrumente rechts und links von sich zu platzieren. Wie auch immer: Probiert verschiedene Sitzordnungen und Positionen aus. Ein gutes Konzert gelingt eher, wenn alle Beteiligten sich wohlfühlen.
Die Sitzflächen der Stühle sollten fest und waagerecht sein. Oder – in manchen Musikakademien und Konzerthäusern gibt es das – dezent nach vorn geneigt. Ist die Sitzfläche dagegen nach hinten abschüssig, resultiert eine unbequeme Sitzhaltung, nämlich Rundrücken und eingequetschter Bauch oder ein ständiges Balancieren-Müssen auf der vorderen Stuhlkante. Ein Keilkissen schafft da Abhilfe!
Keinesfalls sollten die Stühle bei jeder Bewegung knarren. Denn wenn jede noch so kleine Körperbewegung das Stuhlgebälk knarzen lässt, passt das leider nur selten als rhythmische Einlage zum gerade exerzierten Stück. Der Stuhl schweige in der Kammermusik!
Celli haben hoffentlich ihr Cello-Brettchen (auch „Stachelhalter“ oder „Parkettschoner“ genannt) dabei, um des Cello-Stachels Teppichramponierungspotenzial abzufedern. Notbehelf: Einen stabilen ledernen Hosengürtel um ein Stuhlbein legen und den Cellostachel in einem der Gürtellöcher platzieren. (Fortsetzung siehe: Die Gerechtigkeitswiederholung, 2. Teil)




