Buchbesprechung: Ana-Marija Markovina, GLÜCKS-Spiel

Ana-Marija Markovina, GLÜCKS-Spiel, Staccato Verlag 2019, 304 Seiten, 29 € (eine Buchbesprechung)

Auf 300 eng bedruckten und teils bebilderten Seiten stellt eine belesene Pianistin ihre Überlegungen und Erfahrungen mit dem Üben in klarer und konzentrierter Sprache vor. Eine Fortbildung der Landesmusikakademie NRW hat mich auf dieses Buch neugierig gemacht. Ich habe es mit solchem Gewinn gelesen, dass ich mit dieser Besprechung auch andere darauf aufmerksam machen möchte.

Das Buch gibt praktische Hinweise zum Üben und bietet vertiefte Reflexionen zur Bedeutung des täglichen Übens für die Lebensführung und die Persönlichkeitsentwicklung. Außerdem enthält es neben so konkreten Themen wie Lampenfieber auch Überlegungen zu grundlegenden Themen z.B. zum Musikmarkt oder zur Frage, was Kunst ist, sodass vielfältige Aspekte eines Musiker-Lebens beleuchtet werden. Dabei wendet sich das Buch immer wieder an Laien, zum einen, weil auch ein guter Musiker in gewisser Weise Amateur bleiben sollte, um nicht in Routine zu erstarren und zum anderen, weil sich gerade Amateure durch Unbefangenheit und Begeisterung auszeichnen können. Eine Kernaussage ist, dass das Üben eine zentrale Bedeutung für das gesamte Leben hat. Der Übe-Prozess ist eng mit Selbsterkenntnis verknüpft, und durch die selbstauferlegte Übe-Disziplin lässt sich Glück erleben.

Markovina gibt zum einen Tipps für konkrete Übe-Techniken, z.B. für das verlangsamte oder punktierte Üben. Selbst aus den Abschnitten, die spezifisch pianistische Aspekte betreffen (z.B. Triller, Sprünge oder Legato), können auch Nicht-Pianisten Inspiration ziehen. Zum anderen gibt die Autorin Rat zur grundlegenden Gestaltung des Übens, z.B. zum Einspielen, zum Lesen des Notentextes und zum Zuhören. Sie rät dazu, ein Übe-Tagebuch zu führen, und sie erläutert, warum es gut ist, aus qualitativ hochwertigen Noten zu spielen. Manche Tipps überraschen, z.B. wenn es darum geht, im Zustand der Übermüdung zu spielen. Alle Vorschläge werden klar erläutert (oft mit Notenbeispielen) und philosophisch, neurobiologisch oder psychologisch begründet. Stets geht es dabei um die Musikalität – selbst im Übe-Prozess. Auch hier finden sich sowohl Empfehlungen für spezifische Aspekte, etwa zur Gestaltung von Pausen als „hochintensive geistige Situationen“, als auch zu den Grundlagen. So legt die Autorin großen Wert auf die Auseinandersetzung mit der musikalischen Aussage eines Werks sowie seiner Entstehungszeit. Sie rät dazu, sich sowohl mit dem Gesamtwerk des Komponisten als auch mit der Literatur und der Kunst seiner Zeit zu beschäftigen.

Die philosophische Verknüpfung zwischen Üben und Glück wird an Ausführungen deutlich, die sich auf die quasi therapeutische Wirkung des täglichen Übens beziehen. Üben ordnet den von Alltagsstress und Sorgen geplagten Geist. Es drängt zur Auseinandersetzung mit Themen wie Gleichmut und Selbstachtung. Auch Geduld ist beim Üben ebenso gefragt wie im Leben. Für Markovina heißt Geduld lernen, Zuversicht zu lernen.

Auch und gerade Instrumental-Lehrer dürften besonderen Gewinn aus diesem Buch ziehen, weil es eine Haltung vermittelt, die das Unterrichten auch verwöhnter Kinder, ehrgeiziger Jugendlicher oder Spätberufener ermöglicht, indem sie auf Förderung und Erhaltung von Selbstbestimmung zielt. Markovina legt großen Wert darauf, in „reifer Eigenverantwortlichkeit“ zu üben, statt in innerer Bequemlichkeit und Abhängigkeit. Das Buch motiviert konzentrierte Leser zur Straffung und Verfeinerung des eigenen Übens und bereichert aufgrund seiner philosophischen Anstöße das Nachdenken über ein so lebensbestimmendes Hobby.