Bundesmusikwoche 50plus – Eindrücke anlässlich der Sinfonieorchesterwerkstatt 2024
Als ich vor einigen Jahren zum ersten Mal von der Bundesmusikwoche 50plus hörte, ging mir durch den Kopf: „Was soll das, wozu eine Musikwoche für Alte?“ Heute könnte einem sofort „Altersdiskriminierung“ in den Sinn kommen. Und hat damals nicht auch Joachim Landkammer einen entsprechend nachfragenden, ja – mit seiner spitzen Feder – polemisch hinterfragenden Artikel in unserer Verbandszeitschrift „Das Liebhaberorchester“ veröffentlicht? Musizieren kann ich, gerade im Orchester, doch mit Menschen jeden Alters. Ich gestehe: In meiner jugendlichen Überheblichkeit dachte ich zunächst nur an die im Alter nachlassenden Kräfte, sollte heißen: Wahrscheinlich wird in so einem Senioren-Orchester alles nur gaaaanz langsam gespielt. Erst später kam mir der andere – rettende! – Gedanke, dass nämlich mit zunehmendem Alter ja auch die Musizier-Erfahrung wächst und die Fähigkeit, hinzuhören und so auch die Sicherheit und Versiertheit beim Zusammenspiel. Inzwischen habe ich die 50 längst selbst überschritten und erfreue mich – seit Renteneintritt – neu gewonnener Zeit, gerade und vor allem fürs Musizieren. Und will gar nichts hören vom „Alter“… Kurz: 2023 hab ich zum ersten Mal an der Bundesmusikwoche 50plus in Marktoberdorf teilgenommen – und bin gleich 2024 zum Wiederholungstäter geworden.
So schlimm war’s also gar nicht? Nein, wirklich nicht, aber es gilt, wie immer, zu differenzieren: Natürlich gibt es Einschränkungen, die das höhere Alter mit sich bringt. Auf manchen engen Fluren (die meisten Schloss-Flure in der Musikakademie Marktoberdorf sind allerdings herrlich breit!) muss man sein Tempo drosseln, manches Gespräch erfordert eine deutliche, vielleicht auch langsam-laute Artikulation. Dieses „Langsamer“ und „Deutlicher“ kann aber auch als Gewinn empfunden werden, bedeuten sie doch: weniger dahingenuschelte Alltagshektik bei mehr Muße und Klarheit!
Und beim Musizieren? Da gibt es einige, eher wenige, sog. Wiedereinsteiger oder Spätberufene, die ihr Instrument auf eher mittlerem Niveau spielen und auf eine gewisse Nachsicht der anderen angewiesen sind. Aber es gibt eben viele sehr Erfahrene, die ihr Instrument versiert und souverän meistern. Deren manchmal durchschimmernde Alte-Hasen-Besserwisserei überhören – dank gewonnener Altersgelassenheit – alle anderen geflissentlich, jedenfalls meistens, je nach Temperament… Zu differenzieren wäre aber auch zwischen den ja eher solistisch geforderten Bläsern und den (Tutti-)Streichern.
Im Gebläse hat sich bewährt, das jeweils 1. Pult mit jemandem zu besetzen, dessen oder deren Spielniveau bekannt ist, während am 2. oder 3. Pult auch Neue, bislang dem BDLO unbekannte Instrumentalisten eingesetzt werden können – immer darauf hoffend, dass die Intonation klappt. Dopplungen… sind nicht unproblematisch, finden aber statt, insbesondere bei den sich „zu Hauf“ anmeldenden Flöten. Da gilt es dann auszuhandeln, wer welchen Part spielt, entweder (satzweise?) abwechselnd oder auch in schönstem Unisono, nicht aber bei expliziten Solo-Passagen, insbesondere in den schwindelerregend hohen Lagen… Dieses „Aushandeln“ erfordert natürlich Fingerspitzengefühl und Takt und wurde dankenswerterweise vom Bläser-Dozenten bestens unterstützt.
Bei den Streichern scheint mir die Differenzierung über die Platzwahl zu erfolgen: Die einen setzen sich selbstbewusst an die vorderen Pulte, die anderen – alterserfahren-zurückhaltend – lieber an die hinteren. Zu welchen Animositäten es dabei möglicherweise kommt, entzog sich meiner Wahrnehmung (vom hinter den Streichern gelegenen Bläserpult).
Noch gar nicht erwähnt sind hier die anderen Aktivitätsfelder der Bundesmusikwoche 50plus, nämlich Kammermusik, Chor und Kammerchor, Blockflöten-Ensemble bzw. -Orchester sowie das Abschlusskonzert am letzten Abend und das sog. Wandelkonzert am vorletzten… Oder der Ausflug in der Mitte der Woche oder die abendlichen informell-geselligen Zusammenkünfte in der Klause – das könnten weitere Artikel werden, wer schreibt sie?


